Katzen müssen jährlich geimpft werden, so steht’s in den allermeisten Broschüren und Katzenbüchern. Auch auf der Website des Bundesverbandes der Praktischen Tierärzte wird das behauptet. Warum eigentlich? Und warum werden Menschen nicht jedes Jahr geimpft? Schließlich haben Primaten und Kleinsäuger doch ein ganz ähnliches Immunsystem.Inhalt
01. Der Routine-Pieks: Risikobehaftet und oft unnötig
02. Dunkle Ursprünge des Ein-Jahres-Schemas
03. „Impfen wir zuviel?“
04. Forscher werden aktiv
05. Impfschutz hält viele Jahre lang
06. Neues offizielles Impfschema in den USA07. Impfsarkom – Vorbeugung ist möglich
- Hauptimpfungen für alle Katzen
Katzenseuche
Katzenschnupfen
Clamydien
- Optionale Impfungen
Tollwut
Leukose
FIP
08. Vorsicht, Spritze!
09. Noch viele Streitfragen
10. Widerstand gegen neues Impfschema
11. Zur Sicherheit Antikörpertiter messen?
12. Ein vorläufiger Kompromiß
13. Und was tut sich hierzulande?
14. Tierarzt in der Haftungsfalle?
15. Das Übliche kann ein Behandlungsfehler sein
16. Impfen – ja, aber mit Maß
Die Antwort: Katzen (und Hunde) brauchen gegen Virusinfektionen gar nicht jährlich geimpft zu werden. Die jährliche Auffrischung ist für die meisten Impfungen wissenschaftlich nicht begründet – und sie war es auch nie. In den USA wird darüber seit Jahren sehr offen diskutiert; vor allem aber wurde darüber geforscht. Das alles mündete schließlich in neue Impf-Richtlinien.
Positionen radikaler Impfgegner werden im folgenden Text nicht berücksichtigt. Hier geht es ausschließlich um die Forschungsergebnisse und Meinungen seriöser, in der Fachwelt anerkannter Wissenschaftler.
Erstens wurden immer mehr gefährliche Impffolgen beobachtet: allergische Reaktionen mit Erbrechen und Durchfall, Schockzustände (anaphylaktischer Schock); das meist tödliche Impfsarkom der Katze (vakzine-assoziiertes felines Sarkom), ein bösartiger Tumor, an dem nach Schätzungen in den USA jährlich rund 22.000 Katzen erkranken; außerdem Immunerkrankungen und anderes mehr.
Zweitens haben sich einige US-Forscher einfach gefragt, weshalb Menschen nur in Abständen von vielen Jahren geimpft werden (gegen manche Krankheiten nur einmal im Leben, als Kind), Katzen und Hunde aber jedes Jahr ihren Shot erhalten müssen. Eine vernünftige Begründung dafür fanden sie nicht. Es steht in den Gebrauchsinformationen (Beipackzetteln) zu den Veterinärimpfstoffen, und zwar als „Empfehlung“: Jährliche Wiederholung der Impfung wird „empfohlen“.
Fakt ist: Wie lange der Schutz nach einer Impfung tatsächlich anhält, wissen nicht einmal die Impfstoff-Hersteller selbst, weil sie es nicht testen. Und wenn sie es doch wissen sollten, so veröffentlichen sie diese Daten jedenfalls nicht. Für die amtliche Zulassung eines Tierimpfstoffes (Vakzine) muß die Dauer des Immunschutzes (duration of immunity, DOI) nicht vom Hersteller getestet und nachgewiesen werden. Erst seit wenigen Jahren wird (in den USA) für Neuzulassungen der Ein-Jahres-Zeitraum untersucht; die maximale DOI muß jedoch auch heute nicht getestet werden. Anders verhält es sich mit den Tollwut-Impfstoffen (in den Staaten inzwischen auch mit ausgewiesener Drei-Jahres-Dauer erhältlich). Für Tollwut-Vakzinen bestanden schon früher strengere Regelungen, weil diese Krankheit auf den Menschen übertragbar ist, für sie wurde bereits in der Vergangenheit die Ein-Jahres-Wirksamkeit geprüft. Die Zulassungsbestimmungen für Veterinärvakzinen sind in Europa und in den USA ziemlich ähnlich. Auch in Deutschland werden keine Tests zur DOI verlangt, was der Hersteller als Intervall für eine Auffrischung (Revakzinierung) angibt, bleibt ihm überlassen.
Nach Auskunft eines Insiders ist der Ursprung der Ein-Jahres-Empfehlung für die Revakzinierung in Deutschland ebenso eigenartig wie in den Staaten. Die Veterinärbehörden hätten für die Gültigkeit von Tollwut-Impfungen „par ordre de moufti“, also willkürlich, den Ein-Jahres-Zeitraum festgelegt, und dieser sei dann eben einfach auf die anderen Impfungen übertragen worden, die oft in Kombination mit der Tollwut-Vakzine gegeben werden. Die Tollwut-Impfung sei der „Taktgeber“ für die anderen Impfungen gewesen.
1997 schrieb Professor Niels C. Pedersen von der University of California in Davis: „Viele Veterinäre und eine noch größere Zahl von Patientenbesitzern bezweifeln zunehmend die medizinische Grundlage für die routinemäßigen jährlichen Impfungen der Haustiere, und das mit Recht! Die Praxis ist nicht zu verteidigen, warum also sollen wir darüber noch länger diskutieren oder das Thema ignorieren?“ (Proceedings of the American Animal Hospital Association, 1997)
Professor Ronald D. Schultz von der Universität von Wisconsin untersuchte Antikörpertiter von Katzen und Hunden, die Auffrischungsimpfungen (Revakzinierungen) gegen verschiedene Viruskrankheiten erhalten hatten, und stellte fest: Die Antikörpertiter zeigten keinen signifikanten Anstieg. Als signifikant gilt ein Anstieg um mindestens das Vierfache. So erhöhte sich in einer Gruppe von 106 Hunden, die gegen Parvovirose revakziniert wurden, lediglich bei einem Tier der Antikörpertiter um das Vierfache, und dieser Hund hatte zuvor einen sehr niedrigen Titer (offenbar ein Impfversager). Auch Schultz stellt fest: „Die Empfehlung zur jährlichen Auffrischung war nicht durch wissenschaftlich fundierte Studien belegt, und man wird für viele der gebräuchlichen Produkte in der Literatur auch keine Veröffentlichungen finden, die die Notwendigkeit der jährlichen Impfung nachweisen.“ (Veterinary Medicine, März 1998)
Scotts Schlußfolgerung: „Die Impfstoffhersteller sollten ihre Vakzinen auf die längere Dauer des Immunschutzes hin testen und in ihren Empfehlungen auf dem Beipackzettel eine realistischere Dauer des Immunschutzes angeben.“ (Feline Practice, Juli/August 1997; und Journal of Veterinary Research, Mai 1999; verwendet wurde in dieser Studie Fel-O-Vax von Fort Dodge Laboratories)
Der „Vaccination Report 1998“, in dem die neuen Richtlinien ausführlich begründet und dargelegt sind, wurde 2000 aktualisiert. An den Empfehlungen zu verlängerten Impfintervallen hat sich nichts geändert, der neue Report befaßt sich vor allem mit zusätzlichen Aspekten wie Tierarzthaftung und Impfstoff-Beipackzetteln. In der Einführung wird noch einmal sehr deutlich gesagt, worauf es beim Impfen vor allem ankommt, deshalb daraus nun ein Abschnitt:
„Impfstoffe spielen eine wichtige Rolle in der Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Die meisten Impfstoffe bewirken jedoch weder einen vollständigen Schutz gegen Infektion oder Erkrankung, noch bewirken sie in allen Tieren einen gleich hohen Schutz. Faktoren, die den Impfschutz in einem Tier negativ beeinflussen können, sind: mütterliche Antikörper, angeborene oder erworbene Immunschwächen, bestehende Krankheiten, unzureichende Ernährung, abwehrschwächende Medikation und Streß (d. h. zu dichte Population und schlechte Hygiene). Es sollte jede Anstrengung unternommen werden, um sicherzustellen, daß die Patienten bei der Vakzinierung gesund sind. Weil die Impfung allein die Tiere nicht vollständig vor Infektion und Erkrankung bewahrt, sollten Umweltbedingungen mitbedacht und Kontakt mit Erregern minimiert werden.“
Und weiter schreibt die Expertengruppe der AAFP/AFM:
„Die Hauptziele
der Impfung sind:
- möglichst
viele Individuen einer Population, in der ein Risiko besteht, zu impfen,
- jedes Tier
nur so oft zu impfen wie nötig und
- nur gegen
Erreger zu impfen, für die ein Ansteckungs- und Erkrankungsrisiko
vorliegt.
Kätzchen unter 16 Wochen sind allgemein empfänglicher für Infektionen als erwachsene Tiere und entwickeln typischerweise schwerere Erkrankungen. Deshalb stellen sie die Hauptzielgruppe für Impfungen dar. Die Störung durch maternale Antikörper ist die Ursache dafür, daß manche Tiere nach der Impfung nicht immunisiert sind, und das ist der Grund, weshalb für Kätzchen unter 12 Wochen eine Serie von Impfungen nötig ist. Der Impfbedarf erwachsener Katzen sollte mindestens einmal im Jahr überprüft und, falls nötig, entsprechend der Risikoabwägung geändert werden.“
Katzenschnupfen:
Grundimmunisierung im Welpenalter, Auffrischung mit einem Jahr, danach
Revakzinierung alle drei Jahre.
Wichtig: Beim
Katzenschnupfen sollte nur gegen die Erreger Herpes- und Calicivirus geimpft
werden. Die Impfung gegen Chlamydien, die
in Schnupfen-Vakzinen oft mit enthalten ist, gilt als meistens überflüssig.
Chlamydien rufen keine lebensbedrohliche Erkrankung hervor und sind normalerweise
nur in Tierheimen oder Zuchten ein Problem. Die Impfung bietet, wie bei
Herpes- und Calicivirus, keinen vollständigen oder nahezu vollständigen
Schutz, es kann also trotzdem zur Erkrankung kommen.
Anmerkung zum Herpesvirus: Herpesinfektionen können in Zuchten oder Tierheimen sehr hartnäckig sein und immer wieder auftreten. Manche Experten, so zum Beispiel Professor Marian Horzinek aus Utrecht, empfehlen, in solchen Fällen in sehr kurzen Abständen dagegen zu impfen, alle vier bis sechs Monate.
Dies hält Professor Ronald D. Schultz aber für unsinnig. Warum, das soll hier dargestellt werden, weil gelegentlich die Frage aufkommt, ob denn das Drei-Jahres-Impfschema überhaupt auf Katzengruppen angewendet werden kann, in denen gewisse Infektionen immer wieder auftreten, weil die Immunabwehr der Tiere vermindert ist (vor allem durch Dauerstreß).
Dazu Schultz: „Gegen Herpes zweimal im Jahr zu impfen erscheint mir nutzlos, und es würde die Gefahr von Immunerkrankungen erhöhen. Ironischerweise ist es so, daß die Katzen, die ständig Viren ausscheiden, auch das Immunsystem der Kontaktkatzen stimulieren; auf diese Weise ‚impfen‘ sie die anderen Tiere. Dies ist Bestandteil der natürlichen Stimulation des Immunsystems, die in einer geimpften Population dauernd stattfindet. Ein Risiko besteht für Katzen, die nie geimpft wurden, für sehr junge Katzen oder sehr alte Katzen oder auch für Katzen, deren Immunabwehr ernsthaft geschwächt ist. Diese abwehrgeschwächten Tiere sollte man, wenn möglich, isoliert halten, die normal gesunden, geimpften Tiere dürften immun sein und entweder leicht oder gar nicht an der Infektion erkranken“ (Korrespondenz mit Ronald Schultz).
Anmerkung zum Calicivirus: Das Calicivirus zählt zu den Erregern, die in Zuchten, Tierheimen und sonstigen dichten Katzenpopulationen Probleme bereiten – und das trotz Impfung. Der Impfschutz könne lediglich die akute Form der Erkrankung mildern, bekräftigte der US-Virologe Professor Niels Pedersen im November 2000 auf einem Tierärzte-Kongreß in Düsseldorf. Typische Anzeichen einer akuten Calicivirus-Erkrankung sind Hinken (wahrscheinlich, weil sich das Virus in Gelenken einnistet) und Fieber. Kein Calici-Impfstoff verhindert den anschließenden Virusträger-Status oder schützt gegen solche chronischen Krankheitsbilder wie schwere Geschwüre der Mundhöhle und des Zahnfleischs. „Je mehr man impft, desto höher ist die Rate der Virusträger“, sagte Pedersen. „Das Vorkommen von Calicivirus-Trägern ist am höchsten in stark geimpften Populationen und ist tatsächlich seit Einführung dieser Impfung gestiegen.“ Bis zu 25 Prozent der Katzen, die die akute Form der Krankheit durchlitten haben, scheiden das Virus noch eine längere Zeit aus. Zum Glück bleiben die meisten Calicivirus-Träger symptomlos.
Tollwut: Erstimpfung im Welpenalter, Auffrischung mit einem Jahr, danach alle drei Jahre Revakzinierung.
Tollwut-Impfungen an Haustieren mit Freigang sind in den USA in vielen Bundesstaaten per Gesetz vorgeschrieben. Da inzwischen Tollwut-Vakzinen mit ausgewiesenem dreijährigem Schutz erhältlich sind, empfiehlt die AAFP auch hierfür ein Drei-Jahres-Intervall, falls es die behördlichen Regelungen in den einzelnen US-Bundesstaaten erlauben. Wo die jährliche Tollwut-Impfung vorgeschrieben ist, soll auf die Behörden eingewirkt werden, damit sie die Impfung mit den Drei-Jahres-Produkten anerkennen. Auch von den in Deutschland erhältlichen Tollwut-Vakzinen ist bekannt, daß sie mindestens drei Jahre lang schützen, die Hersteller verfügen über entsprechende Daten. Dennoch werden sie mit der Maßgabe der jährlichen Auffrischung vertrieben.
Da die Tollwut in Deutschland sehr verbreitet war, ist diese Impfung auch bei uns sehr häufig. Durch die Impfaktionen für Füchse ist die Fallzahl jedoch stark zurückgegangen, so daß man die routinemäßige Tollwutimpfung an Freigängern vielleicht auch einmal überdenken könnte. Nach Angaben des Scientific Veterinary Committee on Rabies der Europäischen Union (ein offizielles Veterinärkomitee, das die Ausbreitung von Tollwut innerhalb der Europäischen Union untersuchte) ist die Anzahl der amtlich registrierten Tollwut-Fälle zwischen 1986 und 1996 stark gesunken, und zwar sowohl bei Füchsen und Nutztieren als auch bei Haustieren. In Deutschland verringerte sich die Tollwut-Fallzahl bei Katzen und Hunden von 351 im Jahr 1986 auf 8 (acht!) im Jahr 1996. Tierärzte sollten das reale Tollwut-Infektionsrisiko in ihrem Einzugsgebiet halbwegs einschätzen können. Reine Wohnungskatzen benötigen diese Impfung jedenfalls nicht. Vakziniert werden muß jedoch dann, wenn das Tier in eine Tierpension oder ein Tierheim kommt, weil diese Einrichtungen darauf bestehen. Wird eine Katze auf grenzüberschreitende Reisen mitgenommen, kann je nach Einreiseland ebenfalls ein Impfnachweis fällig werden.
Feline Leukämievirus-Infektion: Der Begriff „feline Leukämievirus-Infektion“ wird fast immer gleichbedeutend verwendet mit „Leukose“, was jedoch nicht korrekt ist. Leukose ist ein Sammelbegriff für eine Erkrankung, die durch Tumore wie Lymphome, Leukämie, Fibrosarkome und andere gekennzeichnet ist. Auch durch FeLV können Tumore entstehen, doch bei den meisten Lymphomen etc. ist nicht FeLV die Ursache. Geimpft werden kann nur gegen FeLV. – Die FeLV-Impfung wird im neuen Impfschema der AAFP für alle Katzen empfohlen, die Freigang haben oder mit Freigängern zusammenkommen können oder mit FeLV-positiven Katzen, resp. Katzen von unklarem FeLV-Status zusammenleben. Geimpft werden dürfen nur FeLV-negative Tiere, das heißt, die Impflinge müssen vorher getestet werden. Laut AAFP-Impfplan wird im Welpenalter eine Grundimmunisierung gegeben, danach soll jährlich revakziniert werden.
Einige Fachleute, so etwa Professor Alice Wolf von der Texas A & M Univerity in Austin, haben sich aber gegen die jährliche FeLV-Impfung ausgesprochen, weil gesunde erwachsene Katzen eine gute körpereigene Abwehr gegen das Virus besäßen, ab dem vollendeten zweiten Lebensjahr könne man die Impfung einstellen. Die AAFP hat die Empfehlung zur jährlichen Nachimpfung selbst relativiert: Man rate nur zum Ein-Jahres-Intervall, weil für FeLV-Vakzinen noch keine Studien über die Dauer des Immunschutzes vorlägen. Professor Hans Lutz aus Zürich hat auf dem Tierärztekongreß in Düsseldorf folgende „persönliche“ Empfehlung gegeben: Katzen, bei denen ein Kontakt mit FeLV nicht ausgeschlossen werden kann, sollten im Alter von 9 und zwölf Wochen grundimmunisiert und danach bis zum 3. Lebensjahr jährlich gegen FeLV geimpft werden, ab dann alle drei Jahre.
Auf demselben Kongreß erläuterte Privatdozentin Dr. Katrin Hartmann aus München, daß die Häufigkeit der FeLV-Infektion überall in Europa abnehme, sie habe sich seit 1988/89 halbiert auf 2, 8 Prozent, und zwar infolge der Impfungen und infolge der Eliminierung infizierter Katzen. Die Expertin meinte, daß „mit Sicherheit“ viele Katzen unnötig gegen FeLV geimpft würden, und empfahl, „restriktiver“ zu vakzinieren.
In einer Studie mit geimpften Tieren, die mit FeLV-Ausscheidern zusammenlebten, wurde ein Immunschutz von über acht Jahren ermittelt. Die vakzinierten Katzen erhielten durch den Kontakt mit den FeLV-Infizierten ständig ihren „Booster“, ihre Impfauffrischung. Vor diesem Hintergrund erscheint die lebenslange jährliche FeLV-Impfung von Freigängern doch fragwürdig. Durch Kontakt mit FeLV-Ausscheidern bekommen sie ja ihren Booster, während zugleich ihr Immunsystem mit den Jahren ohnehin immer besser mit dem Erreger fertig wird.
Laut AAFP sind nicht alle FeLV-Impfstoffe gleichermaßen gut und wirksam. Die Veterinärklinik der Universität von Colorado zum Beispiel präferiert in ihrem Impfplan das Produkt Fel-O-Vax Lv-K von Fort Dodge. Professor Marian Horzinek berichtete auf dem Düsseldorfer Kongreß von einer Blindstudie mit drei FeLV-Vakzinen. Am besten sei der Impfstoff eines französischen Herstellers gewesen (es handelte sich um Virbac), gefolgt von der Fort-Dodge-Vakzine.
Feline infektiöse Peritonitis: Der Impfstoff gegen die gefürchtete FIP ist in den USA genauso wie bei uns sehr in der Diskussion. Unabhängige Studien haben laut US-Forschern gezeigt, daß die Wirksamkeit der Vakzine längst nicht so gut ist, wie es die Hersteller behaupten. Die AAFP-Expertengruppe, die die neuen Impfrichtlinien ausarbeitete, erzielte über die FIP-Impfung keine Einigkeit. Die Mehrheit sprach sich dafür aus, gegen FIP nur solche Katzen zu impfen, die ein spezielles Risiko haben, zum Beispiel Katzen in Haushalten, wo FIP schon aufgetreten ist. Über die tatsächliche Dauer des Immunschutzes nach dieser Impfung ist mangels Studien noch nichts bekannt.
Das Coronavirus ist sehr weit verbreitet, über 80 Prozent aller Katzen sollen es haben. Es verursacht Durchfall, der für gewöhnlich rasch wieder abklingt. Die allermeisten Corona-Träger bekommen keine FIP. „Es gibt keine FIP-Epidemie, es ist immer eine sporadische Erkrankung“, so Professor Lutz. Bei der Mutation der Coronaviren zur gefährlichen FIP-Variante ist wahrscheinlich immer Streß beteiligt, so daß es sich wohl um ein „Immungeschehen“ handelt, wie die Mediziner sagen. Der klassische FIP-Ausbruch ereignet sich, wenn ein Kätzchen in ein neues Zuhause gebracht wurde – auf einmal wird es sterbenskrank. Doch auch bei älteren Katzen kann FIP ausbrechen.
Kann die Impfung angesichts der hohen Durchseuchung mit Corona überhaupt etwas bringen? Professor Niels Pedersen äußerte sich dazu in Düsseldorf, und zwar sehr klar: „Die FIP-Impfung ist absolut harmlos, sie bringt Geld, und sie hat keinen Sinn.“
Nicht jedes Sarkom bei Katzen ist ein Impfsarkom, aber doch so viele, daß man handeln muß. Die Häufigkeit wird in der Forschungsliteratur mit 1 bis 3,6 Fällen pro 10.000 Impfungen angegeben. Dieses Risiko ist nach Meinung führender US-Veterinärmediziner nicht mehr tolerabel und Grund genug, die bisherige Impfpraxis zu überdenken. An Impfsarkomen erkranken vor allem Katzen, die schon eine ganze Reihe von Jahresimpfungen erhalten haben.
Neben den verlängerten Impfintervallen, wie sie die AAFP empfiehlt, lassen sich noch weitere Vorsichtsmaßnahmen treffen. Die Vaccine-Associated Feline Sarcoma Task Force, eine Arbeitsgruppe von Veterinär-Spezialisten für Tumorerkrankungen, Vakzinologie etc., hat zur Vorbeugung Richtlinien erarbeitet.
- Auf Mischspritzen
und multivalente Vakzinen sollte weitgehend verzichtet werden. Das heißt,
es sollen nicht alle Impfungen mit einer einzigen Spritze und an einer
einzigen Stelle gegeben werden, auch wenn es für Tierarzt und Patient
so am bequemsten ist und am schnellsten geht. Je mehr Vakzinen auf einmal,
desto höher das Sarkomrisiko.
- Die Impfung
gegen Seuche und Schnupfen soll an der seitlichen Brustwand verabreicht
werden, die Impfung gegen Tollwut am rechten Hinterbein (rabies = r = rechts)
und die Impfung gegen FeLV am linken Hinterbein (LV = l = links). Ein Bein
kann zur Not amputiert werden, um dem Tumorwachstum Einhalt zu gebieten.
Katzen können auf drei Beinen prima leben.
- Zwischen
den Schultern sollte überhaupt nicht mehr geimpft werden, da man einen
Tumor dort nur sehr schlecht operieren kann.
Behandelt werden kann das Impfsarkom bisher nur durch radikale Operation weit ins gesunde Gewebe hinein. Nach der Operation treten in etwa 80 Prozent aller Fälle Rezidive (also neues Tumorwachstum) auf. Das liege in erster Linie an der Unterschätzung der Invasivität (Wucherungsneigung) dieser Tumore durch den Tierarzt, elementare Grundregeln der Tumorchirurgie würden mißachtet, rügt Dr. Martin Kessler in der Zeitschrift „Kleintiermedizin“ (Juli-August 1999).
Katzen reagieren auf Injektionen viel empfindlicher als andere Kleintiere, sie zeigen eine starke Neigung zu Zellentartung. Vor allem solche Katzen, die nach Impfungen oder anderen Injektionen schon einmal einen Knubbel entwickelt haben, sollten Spritzen nur dann bekommen, wenn sich der Wirkstoff nicht anders applizieren läßt. Längst nicht jede Katze entwickelt Knubbel nach (Impf-) Injektionen, und längst nicht jeder Knubbel ist ein Sarkom. Aber wenn eine Katze dazu neigt, Knubbel zu entwickeln, sollte man mit Injektionen vorsichtshalber sparsam umgehen.
Auch darüber, ob multivalente Impfprodukte gut oder schlecht sind, gehen die Meinungen auseinander. Für Hunde gibt es Impfprodukte mit bis zu sieben verschiedenen Vakzinen darin, für Katzen mit bis zu fünf. Kritiker der Mehrfach-Vakzinen verweisen auf Erfahrungen aus der Humanmedizin: Multivalente Humanvakzinen hätten eine höhere Rate von Nebenwirkungen als einzeln gegebene. Die bequeme Handhabung der Multi-Vakzinen verführe auch dazu, mehr Impfungen zu geben, als das Tier eigentlich benötige.
Einigkeit besteht aber darüber, daß einige Impfungen, die von den Herstellern propagiert werden, in vielen Fällen überflüssig sind und nicht routinemäßig verabreicht werden sollten, so zum Beispiel Chlamydien oder Microsporum canis bei der Katze oder Leptospirose und Borreliose beim Hund. Anzumerken ist hier, daß Impfungen gegen bakterielle Erkrankungen oder Chlamydien – falls sie tatsächlich erforderlich sind, zum Beispiel in einem Tierheim – in kürzeren Abständen gegeben werden müssen als die Impfungen gegen Viruskrankheiten.
Die Sorge, daß die Tiere nicht mehr jährlich zum Check-up gebracht werden, rechtfertigt zwar keine überflüssigen und vereinzelt sogar schädlichen Impfungen, das Argument ist aber nicht ganz von der Hand zu weisen. Manche Tiere werden nur zum Impfen zum Doktor gebracht, so daß Krankheiten erst bei dieser Gelegenheit entdeckt und behandelt werden. Einige Veterinäre raten daher, die Revakzinierungen nach dem neuen Drei-Jahres-Schema jährlich versetzt zu geben. Das heißt beispielsweise bei einer Katze mit Freigang: In einem Jahr wird gegen Seuche und Schnupfen geimpft, im nächsten gegen Tollwut, im Jahr darauf gegen Leukose, und dann wieder von vorn. Sinnvoller ist es aber, wie von anderen Experten vorgeschlagen wird, die Patientenbesitzer durch Information und Aufklärung vom jährlichen Impftermin auf den jährlichen Gesundheits-Check „umzuerziehen“.
Auch auf dem Düsseldorfer Veterinärkongreß im November 2000 waren die Impfintervalle nur am Rande ein Thema, eine Grundsatzdebatte wurde darüber nicht geführt. Immerhin sagte Professor Horzinek: „Die jährliche Vakzinierung gegen alles und jedes ist eher Folklore.“ Er forderte die Impfstoff-Hersteller auf, wieder Monokomponenten-Vakzinen anzubieten, also alle Impfstoffe einzeln, so daß jede Katze individuell und entsprechend ihrer Risikosituation geimpft werden könne. Professor Niels Pedersen stellte klar: „Impfen ist keine ökonomische, sondern eine medizinische Prozedur.“ Und Professor Horzinek sagte in Düsseldorf bei einem TV-Interview: „Wir waren noch vor fünf, sechs Jahren der Meinung, Impfungen, na, das schadet nie, wenn es nichts nützt, dann schadet es jedenfalls nicht. Inzwischen wissen wir, daß das nicht so ist.“ Auf die Frage, warum das herrschende Impfschema immer noch besteht, antwortete er: „Der Grund dafür ist eigentlich darin zu suchen, daß niemand ein Interesse hat, weniger häufig zu impfen. Also, es ist die wissenschaftliche Einsicht, die einem sagt, es ist nicht notwendig, jährlich zu impfen, man könnte mit längeren Impfintervallen arbeiten, aber weder der Tierarzt, der gern seinen Klienten einmal pro Jahr sehen will, noch die Impfstoffwerke haben ein Interesse daran, weniger häufig zu impfen.“
Tierärzte, die weniger häufig impfen, befinden sich nach Aussagen der AAHA „in Übereinstimmung mit der Meinung anerkannter Fachleute“. Der Berufshaftpflicht-Trust der American Veterinary Medical Association (= größter US-Tierärzteverband) habe bestätigt, daß diejenigen Tierärzte unterstützt und verteidigt würden, die sich nach den weithin anerkannten Standards richteten, sofern sie sich nichts Illegales oder Unethisches zuschulden kommen ließen. Das heißt: Sowohl die Anhänger der herkömmlichen Richtlinien als auch die Verfechter des neuen Impfschemas genießen den Schutz ihrer Berufshaftpflichtversicherung.
Wann hätte ein Arzt also eher Haftungsfolgen zu befürchten: Wenn eine Katze durch zu häufige und/oder für ihre individuelle Lebenssituation überflüssige Impfungen an einem Fibrosarkom erkrankt, oder wenn eine Katze, die nur alle paar Jahre von ihm geimpft wird, Katzenschnupfen bekommt? (Der auch durch eine jährliche Impfung nicht hundertprozentig zu verhüten wäre.) Den Katzenschnupfen würde das Tier mit hoher Wahrscheinlichkeit überleben, das Sarkom hingegen nicht. Im übrigen können Vakzinierungen aus verschiedenen Gründen fehlschlagen: weil noch maternale Antikörper (im Jungtier) vorhanden waren, weil der Impfstoff nichts taugte (auch das kommt vor), weil ein neuer Erregerstamm auftritt (gegen den die am Markt befindlichen Produkte versagen), usw. Kein Tierarzt kann die hundertprozentige Wirksamkeit einer Impfung garantieren, und das verlangt auch niemand von ihm. Verlangt werden kann aber wohl, daß ein Tierarzt die neuere Forschung zur Kenntnis nimmt und Schaden von seinem Patienten abwendet, indem er in Übereinstimmung mit der Meinung führender Experten ein wissenschaftlich begründetes und weniger risikoträchtiges Impfschema praktiziert.
Jede/r Tierhalter/in kann über die Art und Häufigkeit von Vakzinierungen selbst bestimmen, denn es gibt bei uns keine Impfpflicht für Haustiere. Einzig bei Tollwut tritt der Gesetzgeber auf den Plan: Wenn in einer Gegend Tollwut auftritt, können ungeimpfte Katzen oder Hunde, deren Tollwut-Impfung länger als ein Jahr zurückliegt, von Amts wegen getötet werden, egal ob sie tatsächlich infiziert sind oder nicht. Auf Tollwutschutz sollte man daher nicht verzichten, wenn ein Infektionsrisiko anzunehmen ist. Es wäre löblich, wenn sich die Tierärzteschaft wenigstens dafür einsetzen würde, daß auch hierzulande Vakzinen mit ausgewiesenem Drei-Jahres-Schutz zugelassen und entsprechend von den Veterinärbehörden anerkannt werden. Auch wer sein Tier in einer Tierpension unterbringen will, muß wohl oder übel nachimpfen lassen. Aber sonst hat man freie Hand, und das sollte man auch nutzen.
Copyright 2000:
Monika Peichl
Mopeichl@aol.com
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permission by the author.
„Wir impfen
unsere Haustiere noch zu Tode.“
(Tierärztin
K. N., die mit dieser Äußerung lieber nicht namentlich zitiert
werden möchte)
von Monika
Peichl
Inhalt
1. „Core vaccinations“ (Hauptimpfungen)
1.1. Tollwut
1.2. Staupe, Parvovirose, kontagiöse Hepatitis
2. Non-core vaccinations (optionale Impfungen)
3. Was hinter den jährlichen Fünf- bis Siebenfach-Impfungen steckt
3.1. Zulassung von Impfstoffen
3.2. Impfungen als Haupteinnahmequelle der Kleintierärzte
3.3. Warum besteht dieses Impfschema fast ungebrochen weiter?
3.4.„Ich will das Beste für mein Tier“
3.5. Stillschweigen über Impfschäden
3.6. Wirklich alles Trittbrettfahrer?
3.7. Radikale Impfkritik
3.8. Gute Haltung ist wichtiger als Impfungen
3.9. Keine solide wissenschaftliche Basis
Immer mehr
Hundehalter fragen sich, ob ihre Tiere wirklich jedes Jahr fünf- bis
siebenfach geimpft werden müssen. Ihre Zweifel sind berechtigt. Vor
allem in den USA wird das herrschende Impfschema für Hunde (und Katzen)
schon seit Jahren von Hochschulveterinären angegriffen und durch Studien
über die Dauer des Immunschutzes nach Impfungen sowie durch allgemeine
immunologische Überlegungen erschüttert. Dabei haben auch die
wachsenden Erkenntnisse über Impfschäden wichtige Anstöße
gegeben.
Die folgende Zusammenstellung stützt sich auf Auskünfte von Kleintiervirologen, Tierärzten und Tierhaltern sowie auf wissenschaftliche Veröffentlichungen, darunter besonders auf eine Übersichtsarbeit von Professor Ronald D. Schultz, Department of Pathobiological Sciences, University of Wisconsin (Madison), „Considerations in Designing Safe and Effective Vaccination Programs for Dogs“ (Mai 2000).
Als core vaccinations gelten:
- Tollwut
- Parvovirose
(canines Parvovirus-2)
- Staupe (canines
Staupevirus)
- kontagiöse
Hepatitis (canines Adenovirus-2)
Wird das Tier aber nicht auf grenzüberschreitende Reisen mitgenommen, so kann man über die jährliche Tollwutimpfung zumindest dann nachdenken, wenn der Hund nicht in Tollwutsperrbezirken lebt. In Frankfurt zum Beispiel wurde der letzte Tollwutfall an einem Haustier vor 15 Jahren festgestellt (Auskunft des örtlichen Veterinäramts).
Wird der Hund aber in denjenigen (Wald-) Gebieten ausgeführt, wo Tollwut heute noch vorkommt, sollte man lieber jährlich impfen lassen. Bei Kontakt mit einem tollwutverdächtigen Wildtier können die Veterinärämter – auf Basis der Tollwut-Verordnung – die Tötung eines Haustiers anordnen, wenn seine letzte Impfung länger als ein Jahr zurückliegt. Bestenfalls wird Quarantäne verhängt. Tollwutverdächtige Haustiere dürfen weder postexpositionell geimpft noch sonstwie behandelt werden. Es sind aber schon Kontakttiere jenseits der Ein-Jahres-Frist verschont worden, weil sie a) keinerlei Tollwutsymptome zeigten und weil b) Daten des Impfstoffherstellers beim Veterinäramt eingereicht wurden, aus denen hervorgeht, daß die verwendete Vakzine länger als ein Jahr Schutz bietet. Dennoch steht auf allen deutschen Tollwutimpfstoff-Beipackzetteln, daß jährlich revakziniert werden muß.
Tierärzte werden nervös, wenn man den Sinn jährlicher Impfungen gegen Staupe, Parvo und Hepatitis in Zweifel zieht. Sie verweisen darauf, daß es in den 80er und 90er Jahren immer wieder Ausbrüche von Parvo oder Staupe gegeben habe. Allerdings wird dabei stets die entscheidende Frage vernachlässigt, unter welchen Haltungsbedingungen die betroffenen Hunde lebten, wie ihr Immunstatus war, welchem Infektionsdruck sie ausgesetzt waren und ob es sich vielleicht um neuartige Virusstämme gehandelt hat. Von den Ausbrüchen betroffen waren außerdem keineswegs nur ungeimpfte, sondern sehr wohl auch durchgeimpfte Hunde. Generell gilt: Parvo und Staupe bedrohen vor allem die Welpen und solche adulten Tiere, deren Immunsystem geschwächt ist, zum Beispiel durch schlechte Ernährung, bestehende Krankheiten oder Streß. Die Erreger können zumal in (schlechten) Zuchten ein anhaltendes Problem sein. Interessanterweise bekommt man dort die Infektionen auch durch ständiges Impfen gar nicht in den Griff.
Ein möglicher Grund für jüngere Ausbrüche von Staupe und Parvo ist das Auftreten neuer Virenstämme, gegen die die heute verfügbaren Vakzinen nichts ausrichten. Diese neuen Stämme werden von Hunden aus dem Ausland, vor allem aus Osteuropa, eingeschleppt. Tierschützer, die Hunde nach Deutschland bringen, sollten sich dieser Gefahr bewußt sein. Das Einschleppen neuer Erregertypen und daraus folgende Ausbrüche können jedoch nicht, wie es geschieht, als Argument dafür herangezogen werden, daß die Hunde auf jeden Fall jährlich gegen Parvo und Staupe geimpft werden müssen – es würde ja gar nichts nützen.
Adulte Hunde in normaler Einzel- oder Kleingruppenhaltung – die man nicht mit möglicherweise infizierten Import-Hunden zusammenbringt – sind durch Parvo und Staupe viel weniger gefährdet, als das herrschende Impfschema glauben macht. Besonders klar ist bei Staupe. Professor Marian C. Horzinek von der Universität Utrecht, einer der bekanntesten Kleintiervirologen Europas, lehnt jährliche Auffrischungsimpfungen gegen Staupe ab. Der Erreger ist dem Masernvirus beim Menschen sehr nah verwandt. Horzinek stellt die rhetorische Frage, ob denn ein Tierarzt sich oder seine Kinder jährlich gegen Masern impfen lasse – warum, bitteschön, sollten dann Hunde jedes Jahr gegen Staupe geimpft werden? Wahrscheinlich hält eine gute Staupeimpfung im Welpenalter lebenslang, darauf weisen laufende US-Studien hin.
Kommt ein gesunder Hund mit Erregern, gegen die er früher einmal geimpft wurde, in Kontakt, so erhält er dadurch einen „booster“, quasi eine natürliche Impfauffrischung: Sein Abwehrsystem bildet neue Antikörper gegen das Virus. Wozu also dann dauernd nachimpfen? Dieses Prinzip des natürlichen boosters gilt für viele Infektionskrankheiten.
Die jährlichen Auffrischungsimpfungen (gegen Staupe und andere virale Erreger) sollen der Theorie nach die Menge der erregerspezifischen Antikörper wieder erhöhen. Ob sie das wirklich tun, ist sehr die Frage. In Studien, die Ron Schultz an Hunden gemacht hat, zeigte sich, daß die Antikörpertiter nach der Wiederholungsimpfung gar nicht signifikant stiegen: Das Immunsystem hat sich auf die Impf-Antigene gestürzt, wie es sich auch auf einen richtigen Erreger („Wildvirus“) stürzen würde. Schon deshalb sind die ständigen Auffrischungsimpfungen fragwürdig. Profitieren können davon allenfalls Tiere, bei denen die vorherigen Impfungen nicht funktioniert haben, also Impfversager. Die sind aber selten. Durch eine gute Grundimmunisierung, die lege artis am gesunden Tier im Welpenalter vorgenommen wurde, sind die meisten Hunde geschützt. Und ob den Impfversagern durch immer neue Impfungen geholfen ist, ist sehr die Frage. Man sollte sich statt dessen Gedanken machen, was an ihrem Immunsystem nicht stimmt, und sie von Virusausscheidern fernhalten. Denn ob ein Tier mit einem Erreger fertig wird, hängt auch immer vom „virus load“ ab, also von der Menge der Erreger.
Außerdem: Es ist richtig, daß die Antikörpertiter nach Impfungen mit der Zeit abfallen. Das bedeutet aber nicht unbedingt, daß der Schutz nicht mehr vorhanden ist. Denn im Immunsystem spielt die zelluläre Immunität eine wichtige Rolle, und diese Immunität ist nicht serologisch (durch Titer) meßbar, sondern im wesentlichen nur durch Challenge-Tests, dh durch Exposition gegen den Erreger. Schultz stützt sich in seinen Angaben zur tatsächlichen Dauer des Immunschutzes nach Impfung sowohl auf Antikörpertiter-Messungen als auch auf Challenge-Tests.
Last, but not least zur kontagiösen Hepatitis: Diese Krankheit „kommt in Deutschland fast nicht mehr vor“, heißt es in dem aktuellen Lehrbuch „Infektionskrankheiten bei Hund und Katze“ von Gaskell und Bennett. (Das Werk stammt aus England und wurde im Hinblick auf die Infektionslage und die Impfstoffe in Deutschland überarbeitet.) Wenn also in einem Lehrbuch festgestellt wird, daß die kontagiöse Hepatitis fast nicht mehr auftritt – warum dann alle Hunde jährlich dagegen impfen? Seltenheit des Erregers und die lange Dauer des Immunschutzes nach einer guten Grundimmunisierung lassen das wahrlich nicht sinnvoll erscheinen.
Alle diese Infektionskrankheiten verlaufen im Normalfall minder schwer und/oder sind gut behandelbar durch Antibiotika und durch hygienische sowie Quarantäne-Maßnahmen einzudämmen. Zwingerhusten ist, wie der Name verrät, eine Infektion, die in Zuchten oder Tierheimen grassieren kann. Verschiedene Erreger können diese Erkrankung der Atemwege („infektiöse Tracheobronchitis“) auslösen. Die in Deutschland üblichen Impfstoffe wirken gegen das canine Parainfluenza-Virus (CPIV). Gesunde adulte Hunde in normaler Einzel- oder Kleingruppenhaltung brauchen diese Impfung im allgemeinen nicht.
Die Leptospirose, die von verschiedenen Leptospiren-Typen hervorgerufen wird und auch den Menschen gefährden kann, ist in Deutschland nur noch sehr selten. Die Impfung hält höchstens ein Jahr und verhindert nicht den Trägerstatus, dh geimpfte infizierte Tiere können Leptospiren im Urin ausscheiden und auf den Menschen übertragen, wo sie eine schwere Krankheit verursachen können. Das Zoonose-Risiko sollte aber nicht übertrieben werden. So schreiben Gaskell und Bennett: „Heutzutage sind ... Hunde ... eine relativ seltene Infektionsquelle für den Menschen“, am ehesten fange man sich den Erreger in rattenverseuchten Umgebungen ein. Schultz betrachtet die Leptospirose-Impfung noch aus anderen Gründen nicht als core vaccination: Die Wirksamkeit der Impfstoffe sei schlecht, ein hoher Prozentsatz der geimpften Hunde entwickle keine protektive Immunität oder sei nur kurze Zeit geschützt. Außerdem könne die Impfung das Immunsystem des Hundes akut oder chronisch schädigen.
Die Impfung gegen die Zecken-Borreliose (Lyme-Borreliose) ist eine der umstrittensten Impfungen überhaupt. Selbst in den Endemie-Gebieten tritt die Krankheit selten auf, und wenn, dann verläuft sie fast immer mild und kann gut mit Antibiotika behandelt werden. Gegen die Borreliose-Impfung in Deutschland spricht zudem, daß der Impfstoff nicht auf die hierzulande vorwiegend auftretenden Borrelien-Typen abgestimmt ist, sondern auf US-Verhältnisse. Die Vakzine hilft nur gegen Borrelia burgdorferi sensu stricto, doch diese kommt in Mitteleuropa zu maximal 25 Prozent vor. Wenn die Impfung also gegen die hierzulande vorherrschenden Borrelien-Typen versagt – warum dann impfen? Es besteht zudem der Verdacht, daß die Impfung bei besonders empfindlichen Tieren chronische Arthritis verursachen könnte. Der erste Human-Impfstoff gegen Lyme-Borreliose hat jedenfalls bei einigen Menschen diese gravierende Nebenwirkung hervorgerufen.
Die vom Gesetzgeber jährlich verlangte Tollwut-Impfung war der Taktgeber für die übrigen Impfungen, so daß sich die jährliche Kombi-Impfung mit bis zu sieben Vakzinen einbürgerte – eine für alle Beteiligten lukrative Praxis.
Info im
Internet:
www.cvmbs.colostate.edu
(Impfplan
der Veterinärklinik der Colorado State University, mit Angabe der
verwendeten Impfprodukte und mit Literaturliste)
www.maxshouse.com/vaccines.htm
(Impfplan
der Cornell University)
www.avma.org/vafstf
(Informationen
zum Impfsarkom)
www.api4animals.org
(AAFP/AFM-Report
1998, ausführliche Darstellung der Infektionskrankheiten und der Impfintervalle)
www.geocities.com/~kremersark/aafp.html
(AAFP/AFM-Report
2000, im wesentlichen Ergänzungen zum ersten Report, zum Beispiel
zur Frage der Tierarzthaftung)
Copyright 2001: Monika Peichl
Literatur
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